Herbstreise by Lise Gast

Herbstreise by Lise Gast

Autor:Lise Gast [Gast, Lise]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-05-05T00:00:00+00:00


* * *

Dies alles kam ihr jetzt vor wie etwas Unwirkliches, wie nicht gewesen, oder wie auf einem anderen Stern geschehen. Jetzt, da sie, mit dem Wetter kämpfend, von Würzburg wegfuhr, um, das wußte sie genau, nie wieder herzukommen. Nie wieder, auch nicht an sein Grab. Der Diener würde es pflegen. Die Zeit würde es einebnen. Was bedeutete ein Grab.

Am liebsten wäre sie heimgefahren. Hätte sich in ihrem Haus vergraben, den Kopf und das Herz. Niemand sehen, mit niemandem sprechen.

Das aber durfte sie nicht. Und so hatte sie Arndt heute angerufen, daß sie erst später käme. Dann würde sie weiter sehen. Das Fahren tat ihr gut.

Ohne sich darüber Rechenschaft zu geben, fuhr sie nach Norden. Sie wollte fort, weg von Würzburg, allein sein.

Sie war nicht eigentlich traurig. Professor Clemens war alt gewesen, allein bis auf diesen getreuen Diener, hatte einen milden Tod gehabt. Und doch trauerte sie. Die Begegnung mit ihm, so kurz vor seinem Ableben, war wie ein Geschenk gewesen, das sie dankbar entgegengenommen hatte. Aber sie mußtte dies alles erst verarbeiten. So fuhr sie denn dahin, und als sie schließlich die Heide erreichte, war sie richtig zu sich gekommen. Die Lüneburger Heide – sie hatte sie immer geliebt. Und dann ging ein Lächeln über ihr Gesicht – auf einmal wußte sie, wohin.

Es gab in der Heide eine Tagungsstätte, gleichzeitig ein einfaches Hotel für Wanderer, wo sie schon einige Male gewesen war. Hin und wieder trafen sich dortfrühere Bündische, Wandervögel, Pfadfinder, auch andere ältere Leute, die gern wanderten. Manchmal stand das Haus leer. Sie kannte die Hausmutter, duzte sich mit ihr. Also, auf, dorthin!

Sie suchte einen Parkplatz, nahm die Karte vor und sah, daß es nicht mehr weit war. Froh über ihren Einfall fuhr sie ihrem Ziel entgegen. Dies sei, so meinte sie, wie geschaffen für eine kürzere oder längere Einkehr und Ruhepause.

Das Wetter hatte sich beruhigt. Heide fuhr nicht über die Autobahn, sondern nahm die verkehrsarme alte Straße. Die Birken begannen schon golden zu werden. Es war einsam hier. Heide freute sich auf das vertraute Haus.

Jetzt kam rechts der Parkplatz, der dazugehörte. Er stand voller Wagen. Das Haus war also doch nicht leer, sondern voller Menschen.

Nun, Übernachtungsmöglichkeit gab es für sie bestimmt, dafür würde Frau Nagel sorgen. Heide parkte, nahm das nötigste aus dem Auto und Mutz an die Leine, überquerte die Straße und folgte dem Fußweg zum Haus. Es war nach Hans Brauer benannt, der 1916 gefallen war. Ein Mitbegründer der Jugendbewegung, Freund von Hans Lißner. Diese beiden hatten Wandern und Volkslied, Volkstanz und das einfache Leben der Jugend wieder schmackhaft gemacht. Heide hatte den einen der beiden, Hans Lißner, noch gekannt. Sie lachte vor sich hin, während sie sich vorstellte, er käme ihr jetzt entgegen, klein, lebhaft, alterslos, so, wie sie ihn geliebt hatte.

'Hast recht, hierher zu kommen', würde er sagen, 'nun ruh dich ein bißchen aus. Und dann wandere. Wie hat Seume einmal gesagt, der Mann, der nach Syrakus spazieren ging? ›Es ginge uns besser, wenn wir mehr gingen.‹ Also geh.' Es braucht ja nicht bis nach Syrakus zu sein.



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